Briefe an seine Frau
- Autor*in: Andor Endre Gelléri
- Übersetzt von: Armin Heyer
- Publikationsdaten: Jahr: 1989
- Ausgabe-Datum: 1989
- Entstehungsjahr: 1940, 1944
- Sprachen: Deutsch
- Gattung: Brief
Übersetzung
Andor Endre Gelléris Briefe an seine Frau
aus dem Arbeitsdienst im Máramaroser Hochgebirge
den 17. Oktober 1940
Meine geliebte kleine Fülöp!
Eine Unmenge Briefe habe ich erhalten. Einen ganzen Berg, aber es sind nicht die Wälder von Rinovat, sondern die hellklingenden Zeilen der guten kleinen Fülöp, in denen sie sich so liebenswert selbstbewußt und stark zeigt, wie sie sein muß. Wahrlich, Fülöp, Du wirst noch ein Wunder einer Frau und dann noch ein süßes kleines Söhnchen oder Töchterchen haben. Niemand wird Dir etwas zuleide oder etwas antun können, denn Du wirst erkennen, daß Du lauteren Herzens bist und voller Liebe…
Du weißt, in rabenschwarzer Nacht bin ich die Eisenbahnschienen entlang gekommen und habe nur daran gedacht, wie schön und wie gut meine kleine Frau ist. Und wovor fürchtet sie sich? Warum ist sie so unsicher? Weil sie vieles erleiden mußte, bis sie sich meinem zuweilen betrübten Herzen angepaßt hatte. Aber jetzt ist sie bereits die Mutter meines Kindes und auf ewig meine Frau, meine – schon seit langem – und besonders seitdem sie die niedlichen grauen hohen Schuhe trägt und ihr Bäuchlein dicker wurde. Ach, von den beiden bezaubernden Dingen, Schuhe und Mantel, darf sie sich niemals trennen, auch sie werde ich ewig lieben…
Einmal habe ich den Himmel betrachtet, mein Glöckchen, und neben dem zunehmenden Mond zwei Sterne gesehen, einen großen und einen winzig kleinen. Und das sind wir dort oben am Himmel.
Auch habe ich gelesen, daß nach zweitausend Jahren wieder jener Stern in der Nähe des Mondes schimmert, der bei der Geburt des Jesuskindes leuchtete. Jetzt ist er aufs neue erschienen. Ich glaube, der eine Stern dort neben dem Mond ist der Jesusstern.
Uns drei habe ich gesehen, meine Liebste, golden und silbern zwischen dahinfliegenden Wolken.
Sei ohne Furcht! Hab Vertrauen zu Dir. Denk daran, dass Du jemand bist und auch, daß das Leid Dich seelisch geadelt hat. Du bist für mich ein Stern unter den Frauen, und ein Stern ist auch meine kleine Tochter.
Mit vielen Küssen für den silberhellen Glanz des Mondes und mit aller Leidenschaft und Sehnsucht liebe ich Dich, meine süße kleine Judit.
Andor
Und unserem lieben Kleinen gib von mir soviele Küßchen, wie Abendwolken am Himmel ziehn.
1944
Meine liebe, kleine Judit!
Ich habe erfahren – wenn es doch bloß wahr wäre –, dass man die Musterung der Frauen um acht Tage verschoben hat. Jetzt mußt Du Dich nur darum bemühen, in die Schweizer Gesandtschaft zu gelangen, wo man den Gesuchen innerhalb von zwei Tagen nachkommt. Da mehr als hundert Leute anstehen werden, solltest Du schon früh jemanden hinschicken (Gyula, Jancsi, Kréhn), der sich für Dich einreiht, und wenn Du dann hinkommst, hast Du schon einen Platz unter den Wartenden sicher. Ein Offizier wäre gut, den lassen sie angeblich auch außer der Reihe hinein. Ruf alle an, auch Bernát oder Romhányi und Szegi, vielleicht können sie helfen. Das ist das Wichtigste. Ich versuche auch von hier aus etwas. Die Schweden sind nicht von Interesse. Geliebte Judit, wenn die Nachricht wahr ist, dann steht Gott uns bei.
Ich umarme Dich millionenfach.
Deutsch von Armin Heyer
Quelle: Budapester Coctail. Literatur, Kunst, Humor 1900 – 1945. Hg. v. Aranka Ugrin und Kálmán Vargha. Budapest: Corvina, 286-288.
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