Antisemitismus &
Faschismus

Antisemitismus & Faschismus

Der Antisemitismus hat eine lange Vorgeschichte. Sein religiöser Deutungsrahmen begann sich Ende des 18. Jahrhunderts im Kontext der Revolution und Emanzipation zu ändern. Die jüdische Bevölkerung, die um ihre politische Gleichberechtigung kämpfte, wurde in Folge der Säkularisierung nunmehr als “anders” im ethnischen Sinn verstanden: Die Tendenz, sich der Mehrheitsbevölkerung anzupassen, bzw. der Zwang, sich zu assimilieren, nahm zu. Die spezifische Berufsstruktur  der jüdischen Bevölkerung, die im Finanz- und Handelsbereich überrepräsentiert war, veranlasste die gegnerischen Kräfte, eine „Judenfrage“ zu konstruieren. Die negativen Auswirkungen des sozioökonomischen und -kulturellen Wandels wurden dabei auf angebliche Überfremdung zurückgeführt. So sprach man in zunehmend rassistischen Begriffen von der „Verjudung“ der Wirtschaft, der Politik und nicht zuletzt der nationalen Kultur.

Unter anderem infolge des Börsenkrachs von 1873, der den Optimismus des Ausgleichs von 1867 gedämpft hatte, instrumentalisierten antiliberale Politiker auch in Österreich-Ungarn die „Judenfrage“ für ihre antiemanzipatorische Agenda: Angeregt durch die Entwicklung im Deutschen Reich, riefen sie dezidiert antijüdische Parteien ins Leben, die in der Regel die Neuschöpfung „Antisemitismus“ als Selbstbezeichnung wählten. Obwohl ihr Programm sich in den Forderungen nach Rücknahme der jüdischen Gleichberechtigung erschöpfte, inspirierte diese Agenda um 1900 auch noch katholische und populistische Parteien. Bei den tschechischen, ukrainischen, rumänischen, slowakischen, serbischen, kroatischen und slowenischen Nationalbewegungen kam in der “Judenfrage” zu dem sozialen noch ein besonderes nationalistisches Moment hinzu, indem die jüdische Bevölkerung als Helfershelfer der „nationalen Unterdrücker“ mit deutscher, ungarischer beziehungsweise auch polnischer Muttersprache verunglimpft und boykottiert wurden. Bereits zu dieser Zeit war die antisemitische Sprache von sexuellen und geschlechtsspezifischen Stereotypen geprägt, auch in Literatur und Kunst wurden diese, etwa in Form der “schönen Jüdin” und der “Verweiblichung” jüdischer Männer, bedient.

Der antiemanzipatorische Antisemitismus verschärfte sich während des Ersten Weltkriegs und mutierte nach 1918 infolge der Revolution in Russland zum Ideologem des „Judeobolschewismus“. Zu diesem antikommunistischen Motiv, das ein wichtiger Bestandteil des Stereotyps der jüdischen Weltverschwörung war, kam ein radikaler eliminatorischer Rassismus hinzu. Dieser stützte sich auch auf Diskurse der Eugenik und der Rassenhygiene, die damals in der Wissenschaft weit verbreitet waren. Der Antisemitismus dominierte in der Zwischenkriegszeit die autoritären und faschistischen Bewegungen und Parteien Zentraleuropas; eine Entwicklung, die infolge der nationalsozialistischen Machtübernahme in Deutschland auf ihren tragischen Höhepunkt in der Shoa zusteuerte und das Wendejahr 1945 maßgeblich beeinflusste.

Die zentraleuropäischen Faschismen hatten ihre Wurzeln im Antiliberalismus um 1900, der nach dem Ersten Weltkrieg zusammen mit dem Antisemitismus und den radikalen Nationalismen wiederbelebt wurde. In diesem Zusammenhang kam es auch zur religiösen Aufladung der Politik, wie z.B. zur Stilisierung der kollektiven Opferrolle als nationaler „Leidensweg“. Diesen galt es durch heroische Taten, nicht zuletzt Säuberungen der jeweiligen „Volksgemeinschaft“ von nationalen Feinden zu überwinden und wiedergutzumachen.

Die autoritären Regime der Zwischenkriegszeit wie jene in Österreich, Ungarn und der Slowakei haben viele ideologische Merkmale und Praktiken integriert, die seit dem italienischen Faschismus die Politik bestimmten. Die zentraleuropäischen Faschismen wurden nach der Machtübernahme der nationalsozialistischen Partei in Deutschland von dieser entweder verdrängt  – so vor allem in Österreich – oder zur Basis für die Kollaboration während des Zweiten Weltkriegs im von NS-Deutschland beherrschten Europa. Die Kollaboration wurde in den Ländern Zentraleuropas durch den Konkurrenzdruck autochthoner faschistischer Fraktionen und Gruppierungen zusätzlich gefördert.