Krieg &
Pazifismus

Krieg & Pazifismus

Kriege in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, und erst recht in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Politik und die Kultur in zunehmendem Maße beeinflusst und durch ihren neuen Charakter als Massen- und Maschinenkriege wesentlich verändert. Aus regional begrenzten, zwischenstaatlichen europäischen Kriegen sind globale Weltkriege geworden. Nach den vormärzlichen innerstaatlichen Kämpfen um die politische Emanzipation, nach den Revolutionen von 1848 und dem ungarischen Freiheitskrieg folgten im Habsburgerreich zehn Jahre der Restauration der zentralisierten Macht. Die darauffolgenden zwei kriegerischen Auseinandersetzungen sollten jedoch die zentralistische Einrichtung der Habsburgermonarchie maßgeblich verändern: Die blutige Schlacht von Solferino (1859) und die ‚größte Schlacht des Jahrhunderts‘ bei Königgrätz (1866), die einen ersten Schritt zur Deutschen Reichsgründung einleitete, wurden zum Symbol eines radikalen Bruchs des Habsburgischen Absolutismus, der zur verfassungsmäßigen Umgestaltung und zur Gründung der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie im Jahr 1867 führte.

Die Schlachten von Solferino und Königgrätz waren im kulturellen Gedächtnis Zentraleuropas lange Zeit Synonyme der politischen und humanen Katastrophe. Zugleich wurden im Deutschen Reich, nicht zuletzt in Folge des Krieges gegen Frankreich (1870–1871) und der militärisch erzielten deutschen Einigung, der Militarismus und der Nationalismus als Identifikationsmodelle gefördert. Der weitverbreitete Eindruck einer ‚glücklichen Friedenszeit‘ um 1900 täuschte darüber hinweg, dass gleichzeitig eine radikale geopolitische Gesinnung an Einfluss gewann. Sie rechtfertigte mit evolutionistischen und sozialdarwinistischen Argumenten die gewaltsame territoriale Expansion. Infolge des aggressiven Kolonialismus und Imperialismus hat sich um 1900 die politische Situation weltweit verschärft. Die Doppelmonarchie erhielt zwar keine Kolonien in Übersee, okkupierte und annektierte jedoch Bosnien-Herzegowina.

Durch globale Konflikte gewann der Krieg als politisches Mittel und Machtdemonstration in der europäischen Öffentlichkeit immer mehr Akzeptanz. Die innereuropäischen Spannungen und Polarisierungen führten schließlich zur Katastrophe des Ersten Weltkriegs (1914–1918). Die patriotische Rhetorik und die Heroisierung des auch medial ausgefochtenen Krieges voller Feindbilder mündete in verheerende Materialschlachten sowie eine bislang beispiellose Missachtung des Völkerrechts und Kriegswirtschaft.

Der Erste Weltkrieg löste zugleich Emanzipations- und Revolutionswellen aus, die traditionelle Hierarchien und Geschlechterrollen erschütterten. Die anschließenden Friedensverträge schufen auf der Grundlage des Nationalitätenprinzips neue Staaten. Mit dem Ausmaß der geforderten Kriegsentschädigungen und den territorialen Einbußen der Kriegsverlierer war eine geopolitische und wirtschaftliche Situation geschaffen, die zum Zweiten Weltkrieg (1938–1945) führte. Dieser erweiterte die radikalen Kriegsmethoden und artete in eine totale Zerstörung und beispiellose Gewaltkultur aus, für die Kriegsverbrechen, Shoah, Menschenversuche und der Einsatz von nuklearen Waffen bezeichnend waren.

Als Reaktion auf die kriegerischen Auseinandersetzungen entstanden seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschiedene pazifistische Ideen, die sich sowohl in Kunst, Literatur und Publizistik zeigten als auch organisierte politische Formen annahmen. Dazu zählten Vereinsgründungen, Antikriegsproteste, nationale und internationale Friedensbewegungen, die vorwiegend von Sozialdemokrat*innen und von feministischen Aktivist*innen getragen wurden. Von Fortschrittsoptimismus getrieben wurde der Frieden als Höchststufe der sozialen Entwicklung angesehen. Die wichtigste Forderung nach überstaatlichen Einrichtungen zu einer friedlichen Konfliktlösung wurde nach dem Ersten Weltkrieg in Form des Völkerbundes, nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Vereinten Nationen umgesetzt. Inwiefern diese Institutionen tatsächlich zur Friedenssicherung beitragen, ist nach wie vor umstritten.

Krieg und Pazifismus bilden ein Begriffspaar, das nicht nur in den dezidiert programmatischen Schriften, sondern auch als Bestandteil eines modernen Krisenbewusstseins erscheint, das den Frieden grundsätzlich als gefährdet und den Weltfrieden als unerreichbares Ideal vermittelt. Die beiden Begriffe fördern entgegengesetzte Narrative und geben zur Propaganda ebenso Anlass, wie sie Grundlage für schwindende humanistische Ideale, Geschlechter- und Nationaldiskurse bieten.