Ungarn und Slowaken
- Autor*in: Géza Féja
- Übersetzt von: Orsolya Rauzs
- Behandelte Person: Milo Dor
- Publikationsdaten: Ort: Budapest | Jahr: 1938
- Erschienen in: Magyarország
- Ausgabe-Datum: 07. 10. 1938
- Sprachen: Deutsch
- Originalsprachen: Ungarisch
- Gattung: Artikel
Übersetzung
Géza Féja: Ungarn und Slowaken
Am Abend blätterte ich wieder im Band Hegyország hangja [Die Stimme des Berglandes], der ungarischen Übersetzung einer Anthologie neuer slowakischer Dichter. Ich war jahrelang Lektor bei der Kazinczy-Gesellschaft, dem Verlag der Oberungarn, und wir gaben den genannten Band im Namen der slowakisch-ungarischen Bruderschaft zu einer Zeit heraus, als wir noch nicht hoffen konnten, dass die gerechte Geschichte uns bald wieder so nah zusammenführen wird.
Ich lese also diese Gedichte, die Lyrik der slowakischen Seele. Ich habe dabei den interessanten Eindruck, dass Valentin Beniak wie ein Bruder unseres Gyula Juhász ist, denn die feine, reiche Ästhetik des Kummers lässt sich in ihren Gedichten gleicherweise finden. Niznánsky, der vom slowakischen Volk abstammt, erscheint mir wie ein Landsmann von Gyula Illyés. Und der modernste soziale Ton wurde von Laco Novomesky angeschlagen, der in Budapest geboren wurde …
Ich kenne den Roman von Milo Urban, dem besten slowakischen Prosaautor, da er auf den ausländischen Buchmärkten bekannt wurde. Milo Urban tat in seinem Land dasselbe, was wir in unserem Land tun: Er war eine Peitsche, er enthüllte die Wirklichkeit mit unerbittlicher Treue und schenkte seinem Volk Bewusstsein.
Vor einigen Jahren schlug Emil Boleslav Lukác vor, die ungarische Sprache in allen slowakischen Schulen als Pflichtfach einzuführen, weil das slowakische Volk auf die große menschliche Lehre der ungarischen Kultur nicht verzichten könne. Er war zusammen mit seinen Kameraden immer glücklich, wenn einige ihrer Gedichte hin und wieder in Budapest veröffentlicht wurden, denn sie wurden durch die neue ungarische Literatur erzogen.
Dies sind entscheidende Zeichen, denn sie sind Zeugnisse einer freien, unabhängigen Kulturseele. Sie wurden nicht von aktuellen politischen Interessen diktiert, sondern von einer Überzeugung, die tief in der Seele wurzelt.
Die kurze Anthologie berichtet auch über die Enttäuschung, die die Slowaken seit der „Prevrat“, der neuen politischen Wende, erlebt haben. Sie enthält zwei Gedichte des Dichters Janko Jesensky, der der nationale Vizepräsident von Oberungarn war und in der Öffentlichkeit eine wichtige Rolle spielte. Das eine wurde 1917, das andere 1932 geschrieben, also lange nach der angeblichen Befreiung der Slowakei. Das zweite Gedicht ist viel bitterer als das erste. Während das erste ein rebellisches Gedicht ist, ist das zweite voll von ratlosen, verzweifelten Klagen:
»Ott áll a kis szolgáló, a kapun csenget be,
kié batyuja a karján, fáradt, nyütt az árva,
rendes uraságnál oly szívesen szolgálna.
De csupán a temető kapuja van tárva …
Úgy érzem, már utána megyek a sírkertbe
rózsát vetni a sírba, hol el lesz temetve.«
[Da steht das kleine Mägdlein und klingelt an der Tür,
da steht der Arme mit Bündel in der Hand, müde und matt,
er würde einem guten Herrn gerne dienen.
Aber nur das Friedhofstor ist offen …
Ich habe das Gefühl, dass ich ihm auf den Friedhof folgen werde,
um Rosen in das Grab zu werfen, in dem er begraben werden wird.]
Das war das Schicksal des slowakischen Volkes, der slowakischen Sprache und der slowakischen Seele seit 1918 …
In diesen schicksalhaften Tagen können wir Schriftsteller uns nicht in die Turbulenzen des politischen Lebens mischen, aber wir senden unsere reine menschliche Botschaft an das „Bergland“. Die slowakischen Schriftsteller, Denker und das slowakische Volk sollten zur Kenntnis nehmen, dass wir sie lieben und achten gelernt haben. Wir betrachten die slowakische Sprache als Kultursprache und möchten ihre Entfaltung unterstützen.
Das ungarische Volk war nie ein unterdrückendes Volk, es wollte nie andere Völker gewaltsam in sich integrieren. Die Besten dieser Nation haben immer die „öffentliche Gerechtigkeit und Religionsfreiheit“ auf ihre Fahne geschrieben. Diese reinen Ideale leben in uns, ungarischen Schriftstellern, und auch im ungarischen Volk, für das wir unser ganzes Schicksal riskiert haben.
Wir haben unser ganzes Leben lang für die Freiheit, für bessere Umstände sowie für den Triumph des Geistes und der Kultur unseres Volkes gekämpft. Wir haben aber nie dem Rassengedanken nachgehangen, und die Freiheit sowie das Glück des slowakischen Volkes ist ebenfalls unser wichtigstes Anliegen. Wir vertraten und vertreten die Idee der Versöhnung und der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen den Völkern des Donautals, aber diese Idee wurde vom tschechischen Imperialismus bekämpft, der Oberungarn und das slowakische Land bedrängte.
Auch unsere ruthenischen Brüder sollten daran denken, dass es der ungarische Publizist Miklós Bartha war, der ihnen in der Zeit der Drangsal mit allen Kräften zur Seite stand. Der ungarische Geist und die ungarische Seele waren immer stark genug, um sich auch für die Sache der in Schicksalsgemeinschaft lebenden Völker einzusetzen.
Man sollte zur Kenntnis nehmen, dass alle wertvollen Schichten der ungarischen Jugend vom Volksgedanken beseelt sind. Wir sind der Seele, dem Geist und den Interessen der Gemeinschaft der Völker sogar inmitten unserer schwierigsten Kämpfe treu geblieben. Wir haben immer der Mahnung der Gemeinschaft der Völker und der Inspiration ihres Geistes gefolgt. Und mit der gleichen Achtung und Liebe denken wir auch an die anderen Gemeinschaften des Donautals, die mit uns in Schicksalsgemeinschaft leben.
Als Rákóczis ungarische Kuruzen die schwindenden Hoffnungen mit hartem Männerlied in den Karpaten beklagten, wurden sie von den einfacheren, sanfteren Melodien der slowakischen Kuruzen begleitet. Lajos Kossuth befürwortete gegen Ende des ungarischen Freiheitskampfes schon den vollständigen Ausgleich, und die ungarischen Exilanten trieben die ungarisch-slowakische Versöhnung und Brüderlichkeit weiterhin voran. In diesen Tagen werden in uns Erinnerungen an große historische Traditionen und menschliche Begegnungen wachgerufen.
Zwanzig Jahre lang haben die Ungarn in Oberungarn das bittere Brot der Unterdrückung gegessen. Nach zwanzig Jahren Fegefeuer treten jetzt reine Ungarn im Donautal auf. Bis zum heutigen Tag haben wir die Hoffnung nie aufgegeben: Wir glauben, dass die menschliche Versöhnung im ganzen Donautal auf der Grundlage der ungarisch-slowakischen Brüderlichkeit aufgebaut werden wird.
Deutsch von Orsolya Rauzs
Magyarok és szlovákok. In: Magyarország, 07.10.1938, 7.