M. G.: József Gréda: „Dichter in der Fremde“
Heutzutage, wo die Veröffentlichung jedes belletristischen Werkes zweifellos gewisser Entschlossenheit bedarf, zeugt die Ausgabe eines Gedichtbandes geradezu von außergewöhnlichem Mut. Die Anthologie von József Gréda-Grünberger, einem jungen Dichter aus Oradea erzählt – mit dem Erscheinungsjahr 1940 auf dem Titelbild – von der trotzigen Entschlossenheit, mit der er von der Papierinsel des Bandes seinen strengen Blick auf die neuen Eroberungsströmungen richtet.
In dem Vorwort, dem Ort für lyrische Bekenntnisse, erklärt Gréda, wie dieser Band zustande kam: Er fühlte sich verpflichtet, seine Lieblingsdichter auch in seiner Muttersprache sprechen zu lassen – jene Dichter, die er bereits liebgewonnen hatte, als sie noch unter dem Himmel ihres Heimatlandes lebten, und deren Stimme ihn heute, da sie auf den Wegen des Exils wandeln, wahrhaft als Hilferuf erreicht. Er wollte, dass „diese ergreifenden Botschaften der Klage und der Anklage“ auch in ungarischer Sprache ertönen. Schon allein deshalb ist sein Band würdig, mit liebevollem Verständnis gelesen zu werden, selbst wenn er einem das größte „Opfer“ abfordert: wenn er den Leser zwingt, den Vorwand des zeitgenössischen Nervenzustands fallen zu lassen und seine modebedingte Abneigung gegen die „gebundene Form“, mehr noch gegen den „freien Gedanken“, zu überwinden.
Fremde Dichter vorzustellen war nie eine besonders leichte Aufgabe. Fast jedem Übersetzer passiert es, dass ihm die Dichter, selbst wenn er sie bereits mit kongenialen Machenschaften bis zur Türschwelle gelockt hatte, im letzten Moment entfliehen und nur noch ihren Mantelärmel in seiner Hand hinterlassen. – In solchen Fällen kann man den Schweiß riechen, selbst wenn die Übersetzung ein ehrliches Kunstwerk ist. Noch schlimmer ist es, wenn der Übersetzer sich in der Pflicht sieht, die Lücken zu füllen, die unser Bild von fremden Literaturen so oft unvollständig lassen. Bei der Konzeption von Grédas Band spielte keiner dieser Gesichtspunkte mit. Ohne jegliche Vorgeplantheit und Systematik sammelten sich seine Übersetzungen: Seine Ehrfurcht vor den Dichtern und die Botschaft ihrer Gedichte bewogen ihn dazu, sich mit ihnen zu beschäftigen. Dadurch heben sich seine Literaturübersetzungen von den eher schlecht als recht gelungenen Einheitsübersetzungen der Virtuosen oder der literarischen Handwerker ab, und wir können getrost behaupten, dass er es geschafft hat, eine echte Anthologie – also Blumensammlung und kein trockenes Herbarium – zustandezubringen. – Das größte Verdienst seiner Übersetzungen ist, dass die Gedichte, wie im Original, lebendig sind und duften. Doch auch wenn diese Feststellung die rein künstlerischen und technischen Aspekte in den Hintergrund drängt, bedeutet es nicht, dass die Übersetzungen von Gréda diese äußerst bemerkenswerten künstlerischen Werte entbehrten.
Zwar beginnt der Band mit einer Elegie des unter der kulturellen Gewaltherrschaft des göttlichen Augustus verbannten Gecken Ovid, gefolgt vom Abschiedslied des mittelalterlich-jüdischen Troubadours Süßkind von Trimberg, den Gedichten des exilierten Victor Hugo und Hölderlins, des tragischen deutschen Dichters der hellenistischen Ekstase. Zwar ist im Anschluss daran ein ganzes Kapitel dreißig, in ungarischer Übersetzung größtenteils unbekannten Gedichten des nach Paris verbannten Heine gewidmet, wodurch die Anthologie einen gewissen akademischen Geschichtsrahmen erhält. Doch die unverwechselbare Charakteristik der Sammlung liegt in der anderen Hälfte des Bandes, die neue und zeitgemäße Poesie enthält: Die Gedichte von Tucholsky, Franz Werfel, Johannes Becher und Max Herrmann-Neiße, Walther Mehring, Fritz Brügel, Karl Schnog, Erich Mühsam, Berthold Brecht und Ernst Toller, lauter ergreifende Stimmen von Dichtern, deren Namen man vergeblich aus der Geschichte des europäischen Gewissens der letzten zwanzig Jahre zu löschen versucht. Diese Stimmen von Grédas Band fanden in den Kapiteln „zu Hause“ – „in der Fremde“ – „im Gefängnis“ – und „die Zukunft“ eine originelle Kategorisierung, die gleichsam die Stationen der Tragödie jener Dichter wiedergibt, deren Stimmen fest mit dem Drama der Freiheitsgedanken verbunden sind, das seinen tragischen Höhepunkt in unseren Tagen erreicht hat. Die übrigen Exilanten, die in Grédas Buch zu Wort kamen, geben nur eine historische Bestätigung für die heutigen Emigranten. Diese haben es geschafft, in ihrem verletzten und gehetzten Wesen, selbst durch den Zynismus der Verzweiflung und der Resignation hindurch so faszinierend und bewegend menschlich zu bleiben, und mit der Grimasse des Abscheus, oder mit der Kraft eines unzerstörbaren Glaubens aus dem Jammertal in die ewige Welt der Hoffnung hinüberzulächeln. […]
Selbst die weniger ansprechenden Kapitel sind reich an seelischer Schönheit. Hier befinden sich zum Beispiel die Gedichte des Revolutionärs Ernst Toller […]. Auch Johannes Becher ist dabei […]. Das Buch spiegelt das seelische Ringen des Zeitalters getreu wider und ist auf diese Weise auch für diejenigen wertvoll, die sonst wenig für Gedichte übrighaben. Hundert Romane, ganze Jahrgänge von Tageszeitungen sind nicht imstande, so viel über diese Epoche zu erzählen oder zu übermitteln wie ein einziger Vers oder Gefühlsausbruch dieser Gedichte.
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Wir sind davon überzeugt, dass der garantierte Erfolg der geschmackvoll gestalteten, schönen Anthologie József Gréda dazu ermutigen wird, auch mit seinen eigenen Gedichten vor die Leserschaft zu treten.
Deutsch von Bernadett Modrián-Horváth
Gréda József: „Költők idegenben.“ (Emigráns költők antológiája, 1940, Új Kelet). In: Az Uj Kelet Szombatja, 1940. július 14., S. 6.