Emanzipation & RevolutionKrieg & Pazifismus

Die zwei Gesichter von Wien

Kommentar:

Anna Balázs (1907–1998) arbeitete als Mechanikerin, wandte sich aber Anfang der 1940-er-Jahre zunehmend der Publizistik und der Literatur zu. Balázs war Mitarbeiterin und Redakteurin der Népszava (Zeitungsorgan der Sozialdemokratie), schloss sich dem kommunistischen Widerstand an und unterstützte den Machtwechsel von 1947. In ihren Romanen bearbeitete sie politische, die Arbeiter*innen- und Frauenbewegung betreffende Sujets.

Der Artikel enthält Impressionen von einem Aufenthalt in Wien, der im Sommer 1947 stattgefunden haben könnte und in der Septembernummer der Zeitschrift Csillag, unmittelbar nach den Parlamentswahlen erschienen ist, die in Ungarn die kommunistische Herrschaft einleiteten. Die im Titel genannten beiden Gesichter der Stadt spiegeln zum einen die seit Kriegsende politisch komplexe Situation Österreichs als in Besatzungszonen aufgeteiltes, kriegsbedingt armes Land, zum anderen das Aufleben dieses Landes mit ersten Anzeichen einer kapitalistischen Wirtschaft. Der Bericht ist dichte Beschreibung von Straßenszenen, Situationen in den Behörden, im Theater, im Kino sowie Kommentar einer Fabrikversammlung, an der die österreichische politische und soziale Situation mit der ungarischen verglichen wird. Besonders interessant ist Balázs‘ Beschreibung eines Besuchs in einer Fabrik bei Zistersdorf, aus dessen Anlass die Autorin die Entwicklung der Produktionsverhältnisse und den angehenden Wohlstand des Landes mit dem versteckten Lob des sowjetischen Einflusses verbindet.

Im Beitrag wechseln anschauliche Bilder des Fremden ab, deren ideologische Unterfütterung für ein Wechselspiel von Lob und Kritik sorgt und den Text der kritischen Analyse der politisch bedingten Zu- bzw. Abneigung eröffnet.