Gyula Illyés: Bastei

Die politische Grenze des Westens, die Richelieu am Rhein und Metternich an der Leitha zog, flackerte vor unseren Augen und spannte sich mal an der Weichsel, mal an der Maas, mal am Ärmelkanal, mal an der Dordogne wie das Seil in den Händen der Tauzieher, bis sie plötzlich in die Luft flog. Der Westen wird nicht mehr mithilfe von politischen oder geografischen Grenzlinien bestimmt. Damit haben wir auch etwas gewonnen, denn wir haben ein Erbe zurückbekommen.

Und zwar eine geistige Einstellung und eine Reihe von fein ausgearbeiteten Ideen. Die Politik sieht sie nicht mehr als Werte an. Sie liegen im Dreck und werden – wie es bei Ideen gewöhnlich der Fall ist – zum Eigentum dessen, der sich die Mühe nimmt, sie aufzuheben.

Clemenceau leugnete selbst nicht, dass er genauso barbarisch war wie Timur Lenk. Wilson war nicht weniger quacksalberisch und einfältig als ein trommelnder Wunderheiler, der seine Zauberworte der Bibel entnimmt. Beide Politiker haben die Worte von Erasmus genommen. Durch diese Aneignung wurde die Ideenwelt von Erasmus und damit alles, was den Westen ausmachte, in den westlichen Staaten zuerst zum bürgerlichen Privateigentum, dann zum staatlichen Privileg und schließlich zum politischen Mittel. Die Politik benutzt nun weltweit ihre besonderen, neuen Mittel. Dadurch sind die Mittel des Geistes frei geworden. Der Handabdruck lässt sich von ihnen schnell entfernen.

Der Westen, dieses Reich der Ideen, wird von den Grenzen der Politik unabhängig und wird zu dem, was er in der heroischen Zeit seiner Entstehung am Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit war, als Krakau genauso dazugehörte wie Paris, Padua oder (für ein oder zwei Jahrzehnte) Buda. Als er begann, die Welt der Vernunft und der reinen Gedanken auszubauen, statt die der vagen Gefühle des Instinkts und des Impulses. Seine Aufgabe und seine Gegner sind heute noch die gleichen. Auch seine Arbeit kann genauso heroisch sein wie früher.

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Geographen können heute in Ungarn etwas Besonderes sehen: Die wilden Fluten der Überschwemmung sind größtenteils abgeebbt, aber zwischen den Stoppel- und Kartoffelfeldern schlängeln sich durch viele Komitate herrlich grüne Streifen, in denen Segge und Schilfrohr wachsen sodass der Mais doppelt so hoch wachsen muss wie sonst oder eben sterben. Diese Streifen sind die Betten verschwundener Flüsse und Ströme, deren Namen das Volk längst vergessen hat. Alle Nebenarme der Theiß sind zu sehen; neben den geraden Linien des Kapos und des Sió schlängelt sich auch das alte Flussbett von vor Jahrhunderten. Um die Ruinen herum ist der Boden von Binsen bewachsen, was den alten Wassergraben in Erinnerung bringt, zusammen mit der Vergangenheit dieses Landes, das viele Drangsale erlitten hat.

Der Name dieser Zeitschrift war für mich – wie alle ähnlichen Namen – lange nur ein einfaches Wort, und ich habe gar nicht daran gedacht, dass er eine besondere Bedeutung hätte. Ist es den Drangsalen zu verdanken, dass dieser gewohnte Name plötzlich mit Lebenssaft erfüllt wird? Diese Zeitschrift und dieser Name sind jahrzehntelang eine Bastei gewesen, ein Vorposten der Vernunft gegen alles, was vage und nebelhaft ist. Der Kampf und das Schicksal der Zeitschrift entwickelten sich außergewöhnlich: Sie musste auch dann kämpfen und standhalten, als ihre besten Kämpfer in der Umgebung längst als Sieger gefeiert wurden. Ihre Burggräben wurden nicht vom Gegner gefüllt, sondern von den Wettkämpfern, die Triumph suchend ausritten.

Meiner Auffassung nach ist ihr Schicksal weiterhin die Vorposten-Rolle, was ich auch wünsche. Ich weiß, dass die Idee, deren Namen sie trägt, unerschütterlich und ewig ist. Aber ich beobachte die neue Garde neugierig: Wird sie den Mut und die Ausdauer haben, auf der Bastei standzuhalten, und wird sie genug haben zu schießen und zu leuchten?

Deutsch von Orsolya Rauzs

Bástya. In: Nyugat, 1940, Nr. 9, S. 407.