Eintritt verboten
- Autor*in: B. Gy.
- Übersetzt von: Márta Horváth
- Behandelte Person: Egon Erwin Kisch
- Publikationsdaten: Ort: Budapest | Jahr: 1936
- Erschienen in: Pesti Napló
- Ausgabe-Datum: 21. 06. 1936
- Sprachen: Deutsch
- Gattung: Rezension
Übersetzung
B. Gy.: Egon Erwin Kisch: Eintritt verboten
Egon Erwin Kisch ist einer der ganz wenigen, die die Reportage mit anspruchsvollster Literatur veredeln können. Seine Reportagen sind immer mehr als nur ein Stück trockene Realität. Zuerst rückt er das jeweilige Stück Wirklichkeit in die richtige Perspektive, dann beleuchtet er es durch überraschende Einzelfakten und schließlich fällt er ein Urteil darüber: das Urteil eines tief empfindenden und denkenden Menschen. Jede seiner Reportagen ist eigentlich ein kleiner Essay: ein Essay über ein alltägliches Ereignis, eine Straße oder sogar eine Person, die er auf der Straße trifft. In seinem neuen Buch, das in ungarischer Sprache in Bratislava erschienen ist, hat er einige seiner schönsten Berichte der letzten Jahre gesammelt. „Eintritt verboten ist der Titel, den er seiner Sammlung gegeben hat. Der Reporter Kisch ist an Orte gegangen oder hat zumindest einen Einblick in sie gewonnen, wo der Zutritt normalerweise verboten ist. Hinter die oberflächliche Bedeutung bestimmter Dinge und Phänomene darf man in der Regel nicht allzu neugierig vordringen. Es ist verboten, bestimmte Zusammenhänge zu erkennen, oder Notizen darüber zu machen, warum Menschen so leben, wie sie es tun. In diesen symbolisch verbotenen Bereichen des zeitgenössischen europäischen Lebens bewegt sich Kisch, ob er nun die spanische Quecksilbermine, das belgische Irrenhaus, die Spielbank von Monte-Carlo oder den Leipziger Pelzmarkt beschreibt. Für ihn ist, wie für jeden echten Schriftsteller, das kleinste alltägliche Phänomen ein bezeichnendes Symptom, oder reporterischer ausgedrückt: ein Indiz. Kein Zufall, dass er seine Karriere als Kriminalberichterstatter begann – er ist immer noch auf der Suche nach verborgenen Verbrechen, insbesondere nach solchen, die die heutige Gesellschaft gegen den Einzelnen begeht. Ja, in den Händen dieses Schriftstellers wird alles zu einem Indiz, selbst die kleine Glasperle aus Gablonz, die er zwischen seinen Fingern hält. Er schaut in die winzige Glasperle hinein und erblickt in ihr den Menschen, der sie mit harter Arbeit hergestellt hat, er erblickt die Masse der Perlenmacher und die Masse der Spekulanten, und die Verbindung zwischen den beiden Menschenmengen… und so weiter. Er erschaut in ihr immer größere Horizonte. So geht er mit allem um. Für ihn gibt es kein „trockenes“ Thema, er beschreibt ein Verfahren der Fellverarbeitung – und der Arbeitsprozess wird in seinen Händen zum Drama. Spannung, menschliches Gefühl und ein überlegener-schmerzhafter Humor kennzeichnet seine Schriften. Und Rhythmus. Selbst in seinen scheinbar prosaischsten Sätzen steckt eine rastlose innere Musikalität. Schade, dass die ungarische Übersetzung diesen Rhythmus nicht vollständig wiedergeben konnte.
Deutsch von Márta Horváth
B.Gy.: Egon Ervin Kisch: Tilos a bemenet. In: Pesti Napló, 21.06.1936, 41.