István Peláthy: Patriotismus und Nationalität
In Ungarn müssen endlich die unterschiedlichen Konzepte von Nation und Nationalität geklärt werden, auch wenn diese Erklärungen für jenen zum Glück kleinen Teil unserer fremdsprachigen Mitbürger, die die Frage der Nationalität durch die Brille der Leidenschaft und des Neids betrachten, auf den ersten Blick nicht überzeugend genug sein werden.
Wir werden nicht so sehr neue Ideen vorstellen, sondern vielmehr versuchen, die bereits bestehenden unklaren und konfusen zu klären und die falschen Vorstellungen zu verwerfen.
In unserem Land steht der richtig verstandene, legitime Begriff der Nation für Einheit und Gemeinschaft, während der Begriff der Nationalität Vielzahl und Trennung ausdrückt.
Die Nation ist eine Einheit, da sie eine gemeinsame Verfassung, ein gemeinsames Territorium, ein gemeinsames öffentliches und privates Recht, also gemeinsame politische und rechtliche Institutionen hat. Die Nationalitäten hingegen unterscheiden sich voneinander durch ihre grundlegenden Eigenarten wie ihre Sprache und ihre Volksbräuche, und allein die Gleichstellung dieser Eigenarten soll die Nationalitätenfrage ausmachen.
In unserem Land kann die Nationalitätenfrage nicht die Frage des öffentlichen Rechts im engeren Sinne sein, denn weder im öffentlichen, noch im privaten Recht gab es und gibt es Unterschiede zwischen den Nationalitäten.
Die Frage des öffentlichen Rechts ist ja eine gemeinsame Angelegenheit der ganzen Nation, aller Völker (nation; peuple) des Landes.
Die Nationalitäten sind gleichberechtigte Teilhaber an diesen nationalen öffentlichen Gesetzen und gehören somit zu der Nation, deren nationales öffentliches Recht und privates Recht Ihnen Schutz gewährt: Und dieses ist ein ungarisches. Wir wiederholen daher, dass in einem Staat, in dem die Verfassung, das Gesetz, das Vaterland gemeinsam sind, auch die Nation eine einheitliche sein muss, unabhängig von der Zahl der Nationalitäten.
Es mag zwar vorkommen, dass in einem Reich die Person eines Fürsten mehrere souveräne Staaten repräsentiert; aber dass es innerhalb eines souveränen Staates mehrere Monarchien, mehrere souveräne Staaten, mehrere Nationen gebe, ist unmöglich.
Aber um unsere Darstellung zu verdeutlichen, nehmen wir das Beispiel des nationalen öffentlichen Willens, der nationalen öffentlichen Meinung. Der öffentliche Wille, die öffentliche Meinung des Volkes kann nur durch das Parlament legal zum Ausdruck gebracht werden. Dort kann der gemeinsame Wille des Volkes in Übereinstimmung mit seinem legitimen Führer die Gesetze und Maßnahmen des Landes beschließen.
Nur der öffentliche Wille, der im Parlament zum Ausdruck kommt, ist für die Verabschiedung oder Änderung von Gesetzen oder politischen Institutionen im Lande zuständig.
Wenn es in einem Land mehrere Nationen von politischer Bedeutung gäbe, gäbe es notwendigerweise mehrere legitimen und rechtmäßigen öffentlichen Willen und öffentlichen Meinungen und daher mehrere Verfassungen, Gesetze und Parlamentsversammlungen. In diesem Fall könnte ein Gesetz ein anderes außer Kraft setzen, annullieren – der pure Unsinn!
In diesem Fall gäbe es weder eine Nation noch ein Gesetz im Lande, sondern ein solches Durcheinander, wie man es sich nur im gewalttätigsten revolutionären Staat vorstellen kann.
Wenn es also nicht mehr als einen legitimen nationalen Willen im Land beim Beibehalten der Gesetze und Ordnung geben kann, was kann dann der Sinn des Titulus ‚Nation‘ sein, der nicht das Recht zur Gesetzgebung mit sich bringt?
Wie kann es eine eigenständige Nation ohne einen legitimen eigenen nationalen Willen geben?
Einige mögen entgegnen, dass Nationalitäten einen Willen auch außerhalb ihrer sprachlichen Angelegenheiten haben und diesen manchmal sogar zum Ausdruck bringen.
Die Frage ist jedoch, ob die Proklamierung solcher Wünsche legitim ist. Schenkt die Nation ihnen im Parlament mehr Aufmerksamkeit als den Petitionen irgendeiner privaten Vereinigung?
Kurzum, das Wort ‚Nation‘ kann in Ungarn nur dann eine rechtliche und politische Bedeutung haben, wenn wir darunter eine gemeinsame Nation, die ungarische Nation, verstehen. Die Tatsache, dass die Nationalitäten in Siebenbürgen nach altem Brauch in drei und neuerdings in vier Nationen aufgeteilt sind, widerlegt oder schwächt unsere Ansichten nicht, denn hier handelt es sich in der Tat um ständische Nationen und nicht um getrennte souveräne Nationen, die einen eigenen Staat mit einem eigenen nationalen Willen und eigenen Staatsgesetzen darstellen.
Bei der Eroberung dieser Heimat durch die Ungarn wurden die dort lebenden Völker nach der Kapitulation und Annahme der Gesetze und Rechte der ungarischen Nation in diese eingegliedert.
Die später Eingewanderten brachten ihre Nationalität mit: ihre Sprache, ihre Bräuche und wenn sie welche hatten, ihre Schätze, aber sie brachten nicht ihre eigene Nation und deren Gesetze mit.
Es ist mühsamer, eine Nation in die Heimat einer anderen Nation zu verpflanzen, als eine Nationalität freundlich aufzunehmen.
Deutsch von Márta Horváth
Peláthy István: Hazafiság és nemzetiség. Pest: Demjén Józsefnél 1865, 31-33.