Schmerzenschrei vor die Weltausstellung
- Publikationsdaten: Ort: Wien | Jahr: 1873
- Erschienen in: Illustrirtes Wiener Extrablatt
- Ausgabe-Datum: 13. 03. 1873
- Entstehungsjahr: 1870
- Originalsprachen: Deutsch
- Verfügbarkeit: Österreichische Nationalbibliothek
- Gattung: Artikel
Kommentar:
Der Verfasser des Beitrags berichtet über soziale Missstände in Wien, die trotz der anstehenden Weltausstellung von den zuständigen Ämtern und Behörden nicht beachtet werden. Bei der Erörterung der Übelstände – wie Schmutz auf den Straßen, überfüllte Tramways, Missbrauch mit Theaterkarten – wird auch auf die sich verbreitende Armut in der Stadt hingewiesen. Diese Unannehmlichkeit dürften für die Touristen und Weltausstellungsbesucher besonders peinlich werden, heißt die Botschaft des Artikels, denn die Lebensverhältnisse in Wien ähnelten sich denen der ungarischen Provinzstädte (Debrecen und Szeged).
Der Verfasser appelliert mit der Anführung der Übelstände an seine Leser und macht die städtische Verwaltung zur Zielscheibe seiner Kritik – wegen Vernachlässigung ihrer Zuständigkeiten und Unterlassung der Beschäftigung von Arbeiter*innen. Somit zeichnet sich dieser Beitrag durch eine gemäßigte Gesellschaftskritik aus, die in Tageszeitungen der 1870er Jahre ein noch relativ seltenes Phänomen darstellt. Das sich vertiefende soziale Gefälle und zunehmende Spannungen werden in der Publizistik nur spärlich und vorsichtig aufgegriffen, obzwar zu dieser Zeit eine starke Zuwanderung verarmter Schichten von ländlichen Gebieten in die Städte erfolgte, die zu gedrückten Löhnen und einer zunehmenden Armut führte. Als Folge der sozialen Unzufriedenheit werden in den 1870er Jahren auch in Wien Arbeiterbildungsvereine und Gewerkschaftsvereine in großer Anzahl gegründet, die in der Geschichte der Arbeiterbewegung als wichtige Meilensteine anzusehen sind.