Emanzipation & RevolutionNationalismus & Nationalitäten

Eine Fahrt zur Weltausstellung

Kommentar:

Der Artikel wurde anlässlich der Reise von Otto Henne am Rhyn aus Norddeutschland zur Wiener Weltausstellung verfasst. In seinem essayistischen Beitrag erklärt der deutsche Geschichts- und Geographieprofessor die kulturhistorische Relevanz moderner Weltausstellungen und weist dabei der aktuellen internationalen Veranstaltung eine außergewöhnliche Bedeutung zu, da sie auf deutschem Kulturgebiet stattfindet und die Überlegenheit der deutschen Kultur ins Zentrum stellt. Henne am Rhyn beteuert mit geopolitischen Argumenten die richtige Wahl des Schauplatzes, denn Wien liegt am Ufer des größten Flusses im Herzen des Kontinents und vermittelt dadurch zwischen West- und Osteuropa, d.h. zwischen den deutschen und slawischen Kulturen. 

Der zu dieser Zeit vorherrschenden sozialdarwinistischen Vorstellung entsprechend plädiert Henne am Rhyn für die kulturelle Überlegenheit der Deutschen gegenüber den „aus der Barbarei emporgehobenen Slawen, Rumänen und Magyaren“, die sich der entwickelten westlichen Nation anschließen müssen, um das Herabsinken als Russlands Vasall zu entgehen. Der Rassismus von Henne am Rhyn wird dem damaligen Zeitgeist des Nationalismus und Kolonialismus gerecht, der auf die Geschichte und die aktuellen politischen Entwicklungen den Kampf, Untergang und Triumph der Völker projiziert. Optimistisch und auch enthusiastisch erweist sich jedoch der Autor, denn er nimmt die Institution Weltausstellung als Friedensinstrument wahr, das die Konkurrenz zwischen Nationen und Nationalitäten in einen liberalen Wettbewerb zu verwandeln hofft. Dieser Gedanke nimmt unterschwellig das pazifistische Gedankengut vorweg, das hier mit kosmopolitisch-liberalen Ideen verbunden wird.